Faust

„Es irrt der Mensch solang er strebt!“ oder „Hier bin ich Mensch, hier darf ich´s sein!“ Generationen von Gymnasiasten müssen sich seit anderthalb Jahrhunderten mit dem Werk von Goethe auseinandersetzen: Faust. Doch viele Jugendliche bekommen schon Beklemmungen, wenn sie eines dieser gelben Reclam-Hefte nur sehen.

Dass die Auseinandersetzung mit einem klassischen Werk nicht staubtrocken, sondern kurzweilig und unterhaltsam sein kann, bewies der Schauspieler Steffen Schlösser den Schülern der Oberstufe im Gymnasium am Römerkastell. „Wenn man den eigentlichen Goethe-Text so sieht, ist er brandaktuell, eigentlich ein Hollywoodstoff“, erklärt Schlösser.

In einer Art One-Man-Show mit Bildungsauftrag und einem spartanischen Bühnenbild gelingt es dem Mimen, die Welt des Faust, seines Protagonisten Mephisto, Gretchen und allem anderen Figuren plastisch und für junge Menschen nachvollziehbar zu machen, so dass diese sich auf das Ereignis auf der Bühne einlassen. Verstärkt wird dies, in dem der Schauspieler immer wieder Schüler aus dem Publikum holt und sie in das Geschehen einbindet. Ob als schüchternes Gretchen, ratlosen Famulus oder attraktive Hexe, die Jugendlichen tragen auch ihren Anteil zum Gelingen des Dramas bei.

Doktor Faust leidet unter einem Burn-out, seine Wissenschaft bringt ihm keine Erfüllung mehr, ein Abstecher in die Esoterik bzw. Magie endet ernüchternd, so begibt sich der alternde Gelehrte auf neue Pfade.

Er verpfändet seine Seele dem anfangs als Pudel getarnten Teufel, der ihm neue Lebensperspektiven im Gebrauch von Drogen, Sex und übernatürlichen Kräften ermöglicht. So schwängert ein verjüngter Faust das mausgraue Gretchen, lernt fliegen oder tanzt mit einer scharfen rothaarigen Hexe während der Walpurgisnacht auf dem Brocken.

Dabei werden die jungen Zuschauer immer wieder aufgefordert, dass Geschehen auf der Bühne durch Klatschen, phonetische Bekundungen oder einfach durch lautes Schreien von „Scheiße“ im Chor zu begleiten. Untebrechungen werden von Steffen Schlösser genutzt, um den Gymnasiasten Fragen zu stellen. „Welches Gift soll Faust verwenden?“ „Was ist ein Drudenfuß?“ oder „Wo befindet sich Auerbachs Keller?“

Durch das konsequente Herunterbrechen auf die Lebenswelt der Jugendlichen im 21. Jahrhundert gelingt es Schlösser den angeblich so knochentrockenen „Faust“ interessant zu machen. Der abschließende große Applaus bestätigte dies.

Kai Sieben

Eines der am meisten gespielten Dramen der Welt, den „Faust“ von J.W. Goethe, adaptierte Steffen Schlösser vom Landestheater Parchim in einer Form, die bei den Jugendlichen am Gymnasium Römerkastell gut ankam.
Foto: Kai Sieben